Rede zum Haushaltsplan 2024 der Gruppierung GRÜNT + Tierschutzpartei im Gemeinderat am 16.11.2023 von Daniel Bok
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Wolf, sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Schölzel, sehr geehrter Herr Baubürgermeister Schienmann, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, verehrte Damen und Herren,
meine diesjährige Haushaltsrede möchte ich unter das Motto „vom Großen ins Kleine“ stellen und den Blick von den weltpolitischen Themen nach Waiblingen lenken.
Die gegenwärtige weltpolitische Lage ist von einer Vielzahl komplexer Herausforderungen geprägt, welche die Stabilität und das Gleichgewicht in verschiedenen Regionen der Welt beeinträchtigen. Internationale Spannungen nehmen zu, während globale Themen wie der Klimawandel, die COVID-19-Pandemie und die Flüchtlingskrise weiterhin drängende Herausforderungen darstellen. Inmitten dieser Entwicklungen ringen Regierungen weltweit um effektive Lösungen, um eine nachhaltige globale Ordnung zu fördern.
Angesichts der komplexen Dynamiken der aktuellen Weltpolitik ist es entscheidend, den Blick auf die Herausforderungen im kommunalpolitischen Kontext zu lenken. Wir, als lokale Gemeinschaft stehen vor spezifischen Aufgaben, die von sozialer Gerechtigkeit über Umweltschutz bis hin zur Infrastrukturentwicklung reichen. Die Fähigkeit der Kommunalpolitik, auf diese Herausforderungen einzugehen, spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Lebensqualität auf lokaler Ebene und beeinflusst direkt das Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger. Daher ist es auf kommunaler Ebene von großer Bedeutung, innovative und nachhaltige Lösungen zu finden, die den Bedürfnissen der Gemeinschaft gerecht werden.
Hierbei ist der Fortgeschriebene und zur Beschlussfassung vorliegende Stadtentwicklungsplan (STEP) ein wichtiger Baustein, weil er einen ganzheitlichen Rahmen für die künftige Entwicklung der Stadt bietet. Er dient als Leitfaden und strategischer Kompass, der die langfristigen Visionen, Ziele und Handlungsfelder festlegt.
Der STEP ermöglicht eine vorausschauende Planung, die über kurzfristige politische Zyklen hinausreicht. Dadurch schafft er Kontinuität und Stabilität. Er fungiert als Koordinatensystem, welcher verschiedene städtische Bereiche wie Verkehr, Wohnbau, Umweltschutz und Wirtschaftsentwicklung integriert. Ein wesentlicher Aspekt des STEPs ist die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger sowie weiterer gesellschaftlicher Akteure. Die Beteiligung ermöglicht eine breitere Perspektive und trägt zur Akzeptanz der entwickelten Maßnahmen bei. Er integriert nachhaltige Entwicklungsziele, um eine lebenswerte und umweltfreundliche Stadt für kommende Generationen zu gewährleisten. Er bietet zudem die Möglichkeit zur Anpassung an sich verändernde Umstände und Bedürfnisse. Dies ist entscheidend, um auf neue Herausforderungen, demografische Veränderungen oder wirtschaftliche Entwicklungen reagieren zu können.
Mit einem eingehenden Verständnis der lokalen Bedürfnisse und unter Berücksichtigung nachhaltiger Stadtentwicklung steht für uns die Innenentwicklung und Nachverdichtung als alternative Strategie im Fokus. Anstatt auf die Versiegelung von Flächen im Außenbereich zu setzen, muss die effiziente Nutzung vorhandener Flächen und die Gestaltung von innerstädtischen Quartieren an Bedeutung gewinnen.
Wir lehnen deshalb ein Neubaugebiet auf der grünen Wiese, wie es am Söhrenbergweg geplant werden soll, unmissverständlich ab, egal ob Grundstücke zum Verkauf stehen oder nicht.
Dem Vorhaben „Korber Höhe 3“ stehen wir innerhalb der Fraktion mit unterschiedlichen Haltungen gegenüber. Bei allen weiteren Beschlüssen werden wir uns entsprechend enthalten bzw. nur für ausgewählte Punkte stimmen.
Die eng miteinander verbundenen Themen Stadtentwicklung und Wohnungsbau werfen unweigerlich weitere Fragen zur Verkehrsgestaltung auf. Weiterer Wohnungsbau und die städtische Entwicklung erfordern eine umfassende Verkehrsplanung, um die Mobilität der Bewohnerinnen und Bewohner effizient und nachhaltig zu gestalten. Eine sinnvolle Verkehrsinfrastruktur, die den Bedürfnissen einer „moderat“ wachsenden Bevölkerung gerecht wird, ist entscheidend. Der Blick auf Verkehrslösungen, wie die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs, die Schaffung von Radwegen und die Integration umweltfreundlicher Mobilitätskonzepte, ist daher ein logischer Schritt. Das auf der Korber Höhe 3 geplante Mobilitätshub, auch als „Knotenpunkt für gemeinsam genutzte Fortbewegungsmittel“ bezeichnet, trägt hierzu bei. Auf die Umsetzung und Nutzung sind wir gespannt.
Doch nicht nur die Kernstadt benötigt strategische Entwicklungen. Gerade unsere Ortschaften wie Bittenfeld liegen weit ab der Kernstadt. Auch wenn die Bustaktung zu den Hauptverkehrszeiten sehr gut ist, sind doch viele Bewohner auf alternative Fortbewegungsmittel angewiesen. Als zusätzliches Angebot beantragen wir deshalb die Bereitstellung von 2 Stadtmobilen je Ortschaft.
Mit einem weiteren Antrag wollen wir die Flächen für Parkplätze im öffentlichen Raum reduzieren und erstmal temporär einer anderen Nutzung zuführen, um dadurch die Attraktivität und Lebensqualität im öffentlichen Raum zu steigern. Der Straßenraum und die Parkplatzflächen gehören allen Bewohnern unserer Stadt. Warum also nicht gerechter Aufteilen? Wer behauptet die Straße gehört allein den Autos, liegt gänzlich falsch.
Wir beantragen deshalb die Beschaffung von provisorischen Einbauten, sogenannten Parklets, die meist aus Holz gefertigt und mit Elementen wie Sitzflächen, Pflanzen oder Fahrradabstellmöglichkeiten bestückt sind. Diese Parklets sollen als Sondernutzung von Bürgerinnen und Bürgern oder Initiativen mit Bezug zum Stadtviertel geplant und errichtet werden. Die Positionierung erfolgt in Wohn- und Sammelstraßen aber auch in Hauptverkehrsstraßen im Stadtgebiet und in den Ortschaften. Nach Beendigung der Testphase können feste Module verbaut werden.
Einen erhöhen Sanierungsbedarf haben nicht nur unsere Verkehrswege, sondern auch unsere Bildungseinrichtungen. Daher gilt es, den Blick auf die Bedürfnisse im Bildungsbereich nicht außer Acht zu lassen. Es muss sichergestellt werden, dass bei einem „moderaten Wachstum“ der Bevölkerung, die Kinder und Jugendlichen von hochwertigen Bildungsangeboten profitieren und somit die ganzheitliche Entwicklung unterstützt wird.
Die Investitionen im Schulentwicklungsplan in Höhe von 24 Mio. Euro unterstreicht die Bedeutung einer modernen und qualitativen Bildungsinfrastruktur. Ein erheblicher Teil dieser Mittel, nämlich 17,5 Millionen Euro, fließen in die Kernsanierung der Staufer-Gemeinschaftsschule, um eine zeitgemäße Lernumgebung zu gewährleisten. Die Friedensschule in Neustadt wird mit 3 Millionen Euro und die Wolfgang-Zacher-Schule mit 1,5 Millionen Euro bedacht. Weitere 1,5 Millionen Euro werden auf weitere Schulen verteilt, um die Einrichtungen bedarfsgerecht zu gestalten. In den kommenden Jahren folgen weitere Sanierungen in erheblichem Ausmaß.
Die Notwendigkeit von Interimsgebäuden, wie am Salier Schulzentrum, unterstreicht die Dringlichkeit dieser Maßnahmen zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen und die Modernisierung altersbedingter Bausubstanzen. Diese Investitionen verdeutlichen das Engagement der Stadt für eine zukunftsorientierte Bildung und die Schaffung von Rahmenbedingungen, die Schülerinnen und Schüler optimal unterstützen. Gerne unterstützen wir alle Vorhaben im Stadtgebiet und den Teilorten.
Leider müssen trotz den enormen Investitionen auch Projekte wie der Kindergarten Ringstraße in Neustadt geschoben werden. Diese Situation stellt uns nicht zufrieden.
Vor dem Hintergrund der enormen Investitionen in unsere Schulen wird deutlich, dass moderne Lehr- und Lernumgebungen mehr umfassen als bauliche Maßnahmen. Eine zeitgemäße Bildung erfordert auch die Integration von Digitalisierungskonzepten, um Schülerinnen und Schülern die bestmöglichen Lernchancen zu bieten. Die finanziellen Mittel fließen daher nicht nur in infrastrukturelle Verbesserungen, sondern auch die Implementierung von digitalen Lehr- und Lernmethoden. Die Förderung von digitalen Kompetenzen spielt eine wichtige Rolle in der Vorbereitung auf die Anforderungen der modernen Gesellschaft. Daher gilt, den Wandel der Zeit zu beachten, um eine zeitgemäße und zukunftsorientierte Bildungslandschaft zu gestalten.
Die Digitalisierung bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Die Einführung erfordert Investitionen in Hardware, Software und Schulungen für das Personal. Hier belaufen sich die Investitionen auf insgesamt rund 13 Mio. EUR wovon etwas mehr als 2 Mio. EUR gefördert werden.
Auch innerhalb der Stadtverwaltung herrscht mal mehr und mal weniger Aufbruchsstimmung. Die Digitalisierung ist aber ein strategischer Schritt zur Effizienzsteigerung und verbesserten Bürgerdienstleistungen. Durch die Einführung digitaler Technologien werden Verwaltungsprozesse automatisiert, was zu einer schnelleren und effektiveren Abwicklung von Anfragen und Dienstleistungen führt. E-Government-Anwendungen ermöglichen es den Bürgerinnen und Bürgern, Behördengänge online zu erledigen, was nicht nur Zeit spart, sondern auch den bürokratischen Aufwand reduziert.
Mit der zunehmenden Nutzung steigt aber auch das Risiko von Datenschutzverletzungen und Cyberangriffen. Es müssen robuste Sicherheitsmaßnahmen installiert werden, um die Vertraulichkeit von Bürgerdaten zu gewährleisten.
Weiter bedeutet die rasche Entwicklung, dass Lösungen, die heute angeschafft werden, in einigen Jahren schon wieder veraltet sind. Dies erfordert eine ständige Aktualisierung und Anpassung der Systeme. Die damit verbundenen Investitionen werden uns in den kommenden Jahren begleiten.
Um eine digitale Zukunft auch im öffentlichen Raum zu verstetigen, beantragen wir das offene W-LAN in der Innenstadt wieder zu aktivieren.
Ich komme zum Klima. Nach einer Analyse des EU-Klimawandeldienstes Copernicus wird das laufende Jahr 2023 das wärmste seit 125.000 Jahren. Ja, sie haben richtig gehört. Ein neues und noch denkwürdiges Ereignis welches in Zukunft zur Normalität gehören wird.
Die aktive Umsetzung der Energiewende in Waiblingen erfordert deshalb eine ganzheitliche und nachhaltige Herangehensweise, um den Energieverbrauch zu optimieren, erneuerbare Energien zu fördern und die CO2-Emissionen zu reduzieren. Die Nutzung von erneuerbaren Energien wie Solar- und Windkraft ermöglicht die lokale Energieversorgung nachhaltig zu gestalten. Die Installation von Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden und die Förderung von Windenergieprojekten sind hierbei entscheidend. Die im Haushalt eingestellten 1,5 Mio. müssen nun aber endlich Verbaut werden und die PV Module ihren Weg auf unsere Dächer finden.
In diesem Zusammenhang wünschen wir uns von den Stadtwerken ein Konzept, eine Innovative Strategie bzw. eine klare Haltung wie wir diese Herausforderungen meistern können. Die Zeit der Analytik ist vorbei und Lösungen müssen her.
Das Ziel der klimaneutralen Stadtverwaltung bis 2035 rückt ohne Umwege näher. Im Bewusstsein aller muss aber eine klimaneutrale Stadtgesellschaft stehen. Wir alle sind gefordert, denn nur gemeinsam kann es uns gelingen.
Wenn auch nur ein sehr kleiner Baustein in Bezug auf das große Ganze stellen wir den Antrag auf Bezuschussung für die Herstellung von Zisternen und Rigolen im Bestand. Während es im Neubau zum Standard gehört ist gerade bei Bestandsgebäuden Nachholbedarf zu verzeichnen. Hier wollen wir ein Förderprogramm ins Leben rufen, welches die Eigentümer ermutigt und unterstützt, auf dem eigenen Grundstück aktiv zu werden.
Die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung, den Bürgern und lokalen Unternehmen. Für Sensibilisierung sorgen Informationskampagnen und Beteiligungsprozesse fördert das Verständnis für die Energiewende. Ein kontinuierlicher Dialog und die regelmäßige Überprüfung der Fortschritte sind dabei entscheidend, um die gesteckten Ziele zu erreichen und eine nachhaltige Energiezukunft für Waiblingen zu gewährleisten.
Ein kontinuierlicher Dialog und die regelmäßige Informationsveranstaltungen bedarf es auch beim Thema Flüchtlinge. Die Lage in den Kriegsgebieten aber auch in den von zunehmender Hitze geplagten Ländern ist weiter angespannt, sodass hilfesuchende auch weiterhin ihr Heimatland verlassen, um unter anderem bei uns Schutz zu suchen. Eine würdige Unterbringung ist dabei unser oberster Anspruch. Mit einem Neubau am Kätzenbach sehen wir uns hier gut aufgestellt, auch wenn die Fertigstellung erst für das Frühjahr 2025 vorgesehen ist.
Die 6,2 Mio. EUR sind gut und sinnvoll investiertes Geld für die Unterbringung von insgesamt 90 Personen in 28 Wohneinheiten. Die Schließung von Turnhallen rückt dann hoffentlich wieder in weite Ferne.
Ich komme zum Ende meiner Rede. Mit einem hohen Maß an Erfahrung aber auch viel Zuversicht wurde der Haushalt für das Jahr 2024 zusammengestellt. Trotz der weiter steigenden Ansätze und einem Rekordhaushalt von über 230 Mio. vertrauen wir auf ihre gewissenhafte Arbeit und, dass am Ende doch mehr von den über 120 Mio. Gewerbesteuereinnahmen übrigbleiben als befürchtet. Dem gesamten Team der Kämmerei, stellvertretend Ihnen Herr Ozan danke ich für die enorme Arbeit der vergangenen Wochen und Monate.
Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Ihnen Herr Oberbürgermeister Wolf, Herr Erster Bürgermeister Schölzel und ihnen Herr Baubürgermeister Schiemann, sowie der gesamten Verwaltung.
Abschließen gilt mein Dank dem Gemeinderat für die konstruktiven Diskussionen und eine stets lösungsorientierte Auseinandersetzung auf Augenhöhe.
Für die anstehenden Beratungen wünsche ich uns gute Gespräche.
Herzlichen Dank